kolumne

Mahlzeit Kolumne 6: Es regnet Mirabellen

Es ist ein wunderschöner Sommertag, als wir mit dem Auto von Laufen in Richtung Obstgarten fahren. Unser Ziel: Acht Mirabellenbäume oberhalb von Wahlen.

Es ist ruhig, bis auf das Bimmeln der Kuhglocken, das unsere Gespräche untermalt. Die Mirabellen leuchten uns entgegen, die kleinen gelben Bällchen bilden einen schönen Kontrast zum blauen Himmel. Die Äste sind voll von ihnen.

Wir sind zu fünft und binden uns die mitgebrachten Körbe um die Hüfte. «Jede*r darf sich einen Lieblingsbaum auswählen», verkündet Stephanie Nabholz, die Gründerin der Sammlerei, scherzhaft. Das Pflücken kann beginnen.

Der Ursprung der Idee für die Sammlerei liegt für Nabholz im Gedanken der Selbsthilfe. Selbst im sozialen Bereich arbeitend, war sie viel in Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen in mentaler Schieflage.

«Reden hilft, aber wie wäre es, wenn wir zusammen auch etwas erschaffen?», dachte sie sich. Also holte sie sich Hilfe bei Einmach-Profis und seit 2017 wird gesammelt, gekocht, eingemacht und verkauft. Inzwischen sind rund 20 Menschen bei der Sammlerei eingespannt.

Die Sammlerei rettet jedes Jahr kiloweise Früchte vor dem Verfaulen. Die Bäume und Sträucher gehören Privatpersonen oder Institutionen, die selbst nicht alles ernten können und darum bei der Sammlerei anklopfen.

Diesen Sommer hat das Projekt den Prix Schappo gewonnen, den Preis für ausserordentliches freiwilliges Engagement des Kantons Basel-Stadt. Dadurch seien noch einmal mehr Anfragen hinzugekommen – sowohl von Personen mit Gärten als auch von Menschen, die mithelfen wollen.

Die Mirabellenbäume in Wahlen gehören Raphael, der eine Website erstellt hat, wo Obstbäume zum Selberpflücken in der Region eingezeichnet sind. Die Sammlerei und er haben sich irgendwann gefunden und so wurde sein Hain ein Fixpunkt im Erntekalender der Sammlerei.

In der Vergangenheit ging eher die Sammlerei auf die Gartenbesitzer*innen zu, inzwischen ist es umgekehrt. Es sind sogar so viele Anfragen, dass die Sammlerei anfangen musste, auszusortieren und Anfragen abzulehnen. «Auch, weil wir den Anspruch haben, dass alles Bioqualität hat und nicht gespritzt ist», sagt Nabholz.

Mattia, der heute auch Mirabellen einsammelt und den Mobility-Bus herumfährt, ist seit drei Jahren beim Projekt dabei. Seine Lieblingstätigkeit ist das Ernten, weil man dabei draussen in der Natur ist und keine Hektik aufkommt. Generell ist es bei den Arbeitstagen der Sammlerei völlig Wurst, ob jemand im Vorstand ist oder nicht, alle helfen soweit mit, wie sie können. Ohne Zeitdruck, ohne ein Soll.

Schwieriges Erntejahr

Die Mirabellen sind teilweise so reif, dass es nur ein Schütteln am Ast braucht und schwupps, es regnet Früchte. Das ist ein ziemlicher Kontrast zum Vormittag, ja eigentlich zur ganzen Saison. Nabholz berichtet, dass die Gruppe am Morgen bereits im St. Alban unterwegs war, um Zwetschgen zu sammeln. Die magere Ausbeute: sieben Kilo – also grade mal ein Kistchen voll. «Das war eigentlich mehr Baumpflege als Ernte», scherzt sie.

Sie erzählt von Erntetouren im Regen, das könne dann auch den Helfenden aufs Gemüt schlagen. Trotzdem: das Ziel sei nicht, möglichst viel Gewinn zu erzielen, sondern so viel Essbares wie noch möglich zu verwerten – und das geht auch mit sieben Kilo Zwetschgen. Ausserdem war die Apfelernte am Tag zuvor ein bisschen reichhaltiger:  80 Kilo Gravensteiner warten in der Küche auf die Verarbeitung.

Insgesamt hatte der schlechte Sommer 2021 mehr Auswirkungen auf die Sammlerei als die Pandemie, resümiert Nabholz. «Während Corona war es eigentlich nicht anders als sonst - die Früchte waren ja trotzdem reif, also gingen wir ernten. Wir haben so viele Gläser eingemacht wie noch nie.»

Einen kleinen Einfluss hatte Corona aber doch auf die Produktion im 2020: Viele Helfende hatten durch die veränderte Lebenssituation mehr Zeit. Die Einmach-Tage im Sommer waren eine willkommene Abwechslung zum Pandemiealltag.

Nach 2,5 Stunden Mirabellen pflücken und sammeln packen wir zusammen; die meisten der übrigen Früchte hängen eh viel zu weit oben und wir haben schon eine ordentliche Menge zusammen. Wir fahren nach Liestal in die Küche und wiegen: 40 Kilo. Dazu noch die Ernte vom Vortag und vom Morgen – da lässt sich schon was daraus machen. Jetzt geht es für die Mirabellen erst mal in den Kühlraum und für uns in den Feierabend.

Am Samstag ist gerade noch Mittagspause, als ich zur Gruppe hinzustosse. Der Schillingsrain in Liestal ist eigentlich ein Wohnheim für Jugendliche, am Wochenende nistet sich die Sammlerei in der Küche ein und kocht, passiert, sterilisert und füllt ab.

Die Ernte- und Einmach-Tage richten sich primär nach den Früchten: wenn sie reif sind, werden sie geholt. Den ganzen Sommer über wird jede zweite bis jede dritte Woche geerntet. Donnerstag und Freitag sind Erntetage, von Freitag bis Sonntag wird Eingekocht.

In der Küche ist es schwülwarm, draussen unter den Bäumen idyllisch. Stressen lässt sich hier niemand, jede*r bleibt solange, wie er*sie kann und möchte.

Yvonne hat in der Küche den Überblick. Es werden mehrere Produkte gleichzeitig gemacht, alle suchen sich ihre Aufgabe und wenn diese erledigt ist, weiss Yvonne, was es als nächstes zu tun gibt. Heute sind wir zu siebt – von Anfängerin bis zu Einmach-Vollprofi ist alles dabei. Yvonne erzählt mir von der Arbeit hier, überwacht gleichzeitig den grossen Topf mit Konfi auf dem Herd und strahlt eine Ruhe aus, die allen hier gut tut. Zwischen Zucker und Rührkelle liegt ein Haltbarmach-Almanach als Nachschlagewerk, im Steamer werden Gläser fürs Abfüllen sterilisiert. Es blubbert, die Kornelkirschenkonfi ist bald soweit.

Ideal sei es, wenn zwei Gruppen in der Küche sind, sagt Tätschmeisterin Yvonne. «Bis Mittwoch wissen wir meist, wieviele Leute wir sein werden. Aber das kann sich spontan auch ändern, wenn es jemandem plötzlich doch nicht gut geht.» Flexibilität ist wichtig, besonders für die Betroffenen.

Einige Helfer*innen sind nur am Wochenende da, andere auch am Freitag. Momentan ist das Team etwas kleiner als sonst, da sich bei Einigen die Lebenssituation geändert habe. Deswegen seien jetzt ab und zu auch neue Helfer*innen dabei. So wie Barbara, die mit Etienne und mir draussen am Tisch Äpfel zerteilt. Später werden die Apfelstücke dann zu Mus verarbeitet.

Wir schneiden grosszügig faule und wurmstichige Stellen bei den Äpfeln ab, während im Hintergrund Vogelgezwitscher zu hören ist. Im Gegensatz zum Grosshandel gibt es bei der Sammlerei keine Richtlinien, wie gross, klein oder schön eine Frucht sein muss. Solange sie reif genug ist, wird sie verwertet.

Barbara ist heute wie ich zum ersten Mal da und schnuppert Sammlerei-Luft. Sie will sich gerne freiwillig engagieren. An der Sammlerei gefällt ihr, dass hier «mehrere Aspekte abgedeckt werden: Inklusion, die Bekämpfung von Food Waste und das Machen mit den Händen». Das ist auch Etienne wichtig. Er wurde von Stephanie Nabholz ins Boot geholt und ist seit Beginn der Sammlerei Teil des Teams. Er füllt am liebsten die Gläser ab, weil er so die fertige Arbeit sehen und «anfassen» kann.

Wer nicht mehr mag, kann jederzeit gehen – Yvonne und Elisabeth bleiben dafür oft bis abends da, um die angefangene Arbeit fertig zu machen. Die Mirabellen, die wir am Vortag geerntet haben, sind erst nach 16 Uhr an der Reihe, es wird heute wohl auch noch später für die Küchencrew.

Bei jedem Produkt, das hier hergestellt wird, wird aufgelistet, was drin steckt. Zucker, Essig,Gewürze und Wasser sind häufige Zutaten. Die Etiketten werden später gedruckt. Neben dem Inhalt steht darauf , woher die Frucht kommt, wann sie geerntet wurde und wozu man das Produkt (Konfi, Chutney, Mus) verwenden kann. Im Herbst startet die Verkaufsaktion, die bisher immer ein grosser Erfolg war: alles aus der letztjährigen Produktion wurde restlos ausverkauft. 2’400 Gläser Eingekochtes und 100 Flaschen Saft, rübis stübis weg.

Rezept

Mirabellenkompott, von Stephanie Nabholz

Zutaten

  • 2 kg Mirabellen
  • 500 ml Wasser
  • 250 ml klarer Apfelsaft
  • 250 ml Weisswein
  • 150 g Zucker
  • 10 Kardamomkapseln
  • 1 Zitrone, Schale

Zubereitung

  • Einen Sud aus Wasser, Weisswein, Apfelsaft und Zucker kochen. Die Kardamomkapseln im Mörser anknacken und ebenfalls dazugeben. Einmal aufkochen lassen, dann beiseite stellen und ziehen lassen.
  • In der Zwischenzeit die Mirabellen waschen und entkernen, dabei darauf achten, dass die Mirabellen nicht ganz durchgeschnitten werden, sondern noch an einer Seite verbunden bleiben.
  • Den Sud wieder aufkochen und etwas ziehen lassen. Die Mirabellen kurz im Sud kochen (bissfest), dann mit der Schaumkelle herausnehmen und dicht in Gläser füllen. Mit Sud durch Haarsieb gegossen auffüllen. Gläserrand reinigen und Gläser dicht verschliessen.

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Das Kompott passt zu Kuchen oder Glace oder generell als Dessert.

Die Konfis können unter Naturjoghurt oder -Quark gemischt werden und schon erhält man Fruchtjoghurt oder Früchtequark ganz ohne künstliche Aromen.

Hier gibt's die eingemachten Produkte der Sammlerei zu kaufen (ab Winter 2021):


Mahlzeit - wie Bauer Gass autark wurde

Diese Kolumne entstand in Zusammenarbeit mit Bajour.

Toni Gass ist ein kräftiger Mann mit akkurat getrimmtem Schnauz und breitem Lachen. Vorsichtig hebt er ein Lämmchen auf. Es hat sich verirrt und hat Angst vor uns Menschen. Der Bauer trägt es zur Herde, die vor dem Stall im Schnee steht, eine Decke von Schneeflocken auf dem dunklen Fell. Dieses Lämmchen wird im Herbst einen Job haben: Als Obstfresser im Wolfloch.

Das Wolfloch ist ein Bio-Permakulturhof in Oltingen am äussersten Zipfel des Baselbiets. Ein verschlungenes Strässchen hat uns hierher gebracht, der 65 Hektar grosse Betrieb von Toni Gass befindet sich weit ausserhalb des Dorfs. Hier ist der Landwirt aufgewachsen. Helfende Hände gibt es viele: einerseits saisonale Hilfskräfte, andererseits beschäftigt die Familie Gass auch Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen bei sich.

Bauer Gass mit einem seiner Lämmli, das sich gerade verirrt hat.

Wir setzen uns im Hofladen an den Holztisch. Die Möbel hat Toni selbst gebaut, das Holz stammt aus dem kleinen Waldstück, das auch zum Hof gehört. Eingelegte Kräuter und Gewürze stehen in grossen Gläsern auf Regalen. Ringelblumen, Weidenrinde, Tannentriebe. Öl, Salbe oder Sirup wird daraus gemacht und verkauft.

Toni Gass erzählt gerne von seinen vielen Experimenten. Eins davon sind seine Schafe. Und das kam so: Toni hat zahlreiche Obstbäume, Äpfel, Kirschen und Zwetschgen. Das Problem: Wenn mit Schädlingen infiziertes Fallobst am Boden liegen bleibt, greift es die Bäume an, sie werden krank und es wachsen keine Früchte. Dagegen kann man Pestizide spritzen, aber das will Toni nicht.

Also tat er sich Schafe zu. Und was passierte? Sie fressen alles Obst am Boden rübis und stübis auf. «Da findest du kein Kriesi mehr am Boden», so Tonis Feststellung. Die Bäume aber lassen sie in Ruhe. Die Schafherde hat derzeit eine «Arbeitsfläche» von zwei Hektaren.

Der Haupteffekt: die Bäume werden vor Krankheiten geschützt. Und da die Schafe weder Kraftfutter noch Medikamente erhalten, kann später auch ihr Mist verwertet werden. Sowohl Bäume als auch Tiere bleiben gesund: «Nicht mal Durchfall haben sie», sagt Toni. Was ihm zeige, dass die Symbiose zwischen Bäumen und Schafen funktioniere.

Saftiges Grün und die fleissigen Schafe: so sieht es im Frühherbst aus, wenn das Obst wächst und die Schafe viel zu tun haben.

Seit 2 Jahren ist das Wolfloch ein Bio-Betrieb, vor 15 Jahren hat er mit der Umstellung angefangen. Davor machte Toni Gass konventionelle integrierte Landwirtschaft. Ihm passte diese konventionelle Viehmast und Obstanbauweise aber nicht: Antibiotika im Futter, Krankheiten und resistente Bakterien. «Du musst dir vorstellen, konventionell geht man mit Spritzmitteln hin und zerstört Biomasse, und das kostet auch noch ziemlich viel.»

Ein anderer Grund war der Anspruch des Detailhandels, dass die Produkte alle makellos sein mussten, um im Supermarkt verkauft zu werden – das führt zu noch mehr Druck, Hilfsmittel einzusetzen, damit die Früchte makellos sind.

«Ein Schlüsselerlebnis war dann das Glyphosat, wo man lange geglaubt hat, das sei unproblematisch. Dann hab ich gesehen, dass die Bäume teilweise verkrüppelt wurden. Da hab ich gedacht nein, das will ich nicht, ich höre auf und mache Bio, fertig.»

Toni Gass, Landwirt

Doch Toni Gass geht noch weiter als Bio und macht: Permakultur.

Ein Bio-Betrieb hat zunächst mal nichts mit Permakultur zu tun – theoretisch kann man einen Bio-Hof mit nichts als Rüebli betreiben. Biodivers ist das nicht und schadet laut Toni zum Teil auch dem Boden.

Das Wort Permakultur setzt sich zusammen aus «permanent» und «agriculture», also Landwirtschaft. Es ist eine  Form des Anbaus, die sich an den Zyklen und Abhängigkeiten in der Natur orientiert. Nach und nach wurde der ganze Betrieb so umgewälzt, dass ein Kreislauf entsteht.

Ein Beispiel: Auf einigen von Toni Gass’ Feldern ragen dunkle, abgestorbene Halme aus dem Schnee. Sie stammen von Sonnenblumen. Dass die Überreste dort bleiben, ist gewollt: Die abgestorbenen Sonnenblumenhalme helfen, den Boden zu stärken und den Hafer zu nähren, der in der nächsten Saison angepflanzt wird.

Das natürliche Mittel gegen Schädlinge und Unkraut: eine Herde Schafe. Im Moment kriegen sie Heu aus dem Lager zu fressen.

Nebst den Schafen leben auch Schweine, ein paar Kühe und Pferde auf dem Wolfloch. Die Schweine erfüllen dabei auch einen wichtigen Job: Sie helfen dabei, Stroh und andere Biomasse zu kompostieren. Ohne die Schweine würde dies viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Mengenmässig leben gerade so viele Tiere auf dem Wolfloch, dass die Balance zwischen Nutzen und Verbrauch gehalten wird - alles, was die Tiere fressen, stammt auch vom Hof, es ist das gleiche Getreide, das auch für die menschliche Nahrung verarbeitet wird. Von Zeit zu Zeit werden einige Tiere im Dorf geschlachtet, Toni Gass bringt sie jeweils eigenhändig dorthin.

Permakultur, Bio, was?

Die liegengebliebenen Sonnenblumen, der kompostierte Schafmist und andere Biomasse haben ein Ziel: Die Humusschicht im Boden zu stärken, die durch konventionelle Landwirtschaft abgetragen wurde. Humus bindet CO2 im Boden, was hilft, die Klimaerwärmung zu verlangsamen.

Toni will langfristig die Humusschicht auf seinem Gelände wieder aufbauen - die Schafe spielen hier nur eine indirekte Rolle: ihr Mist ist Teil der Biomasse, die mit den alten Sonnenblumen zusammen später zu Humus werden. In der Permakultur wird auch eine grosse Biodiversität angestrebt, also möglichst viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten auf der Fläche zu beherbergen.

Bei Toni Gass wachsen zahlreiche Hecken zwischen den Feldern, wo Schmetterlinge, Vögel und Käfer einen Platz finden. Natürlich braucht es für Permakultur Zeit und Experimentierfreudigkeit. Es ist auch ein Dazulernen. «Ich hatte Läuse an den Bäumen und habe vieles ausprobiert, Essig, Alkohol… da muss man erst rausfinden was hilft.»

Ein Dorf als Mikrokosmos

Das Wolfloch ist auf dem besten Weg, autark zu werden, also selbstversorgend. Fast alles, was hier zum Einsatz kommt, wird auch hier produziert, sogar ein Teil des Stroms dank Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Zucker und Diesel bezieht Toni teilweise noch von ausserhalb. Ersteres für gewisse Hofprodukte wie Sirup, zweiteres für die Traktoren. Nach Basel wird entweder mit dem ÖV oder dem elektrisch betriebenen Bus geliefert. In naher Zukunft soll es vor dem Haus eine Ladestation für Elektrofahrzeuge geben und aus der Schafwolle werden im Dorf bald Decken hergestellt (wegen Corona ist dieses Projekt derzeit pausiert). Die Betriebsgruppe der Oberen Mühle in Oltingen will die bisher ungenutzte Wolle weiterverarbeiten, immer in enger Zusammenarbeit mit Toni.

Sowieso: Dieses Oltingen. Das abgelegene Dorf ist wie ein kleines Ökosystem in sich. Nebst dem Metzger und dem Dorfrestaurant wird hier auch Bier gebraut, Kunst gemacht und unterrichtet. Alle schaffen zusammen: «Wir waren immer aufeinander angewiesen. Liestal ist weit weg, da haben wir gar nichts zu tun damit, wir helfen uns selbst.»

In den letzten Jahren sind viele Zuzüger*innen hinzugekommen, was auch politisch einen Einfluss hatte: vom traditionellen SVP-Dorf zur «grünsten Gemeinde» der Schweiz (38,4% Wähler*innenanteil im Herbst 2020). Es läuft hier ziemlich viel für so ein kleines Dorf mit 480 Einwohner*innen. Hier leben viele, denen die Art und Weise, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden, am Herzen liegen.

Das Dorfzentrum von Oltingen. Die schmalen, kurvigen Strassen und alten Häuser erinnern an ein Bergdorf, die Einwohner*innen wählen grün.

Allerdings ist es nicht so einfach möglich, einen Betrieb wie ihn Toni hat aufzuziehen. Permakultur ist weniger einträglich als konventionelle Landwirtschaft. Zudem wollen oder können es sich viele Kund*innen nicht leisten, den höheren Preis für die Lebensmittel zu zahlen. Die Umstellung zu Bio oder mehr dauert und kostet Geld. Inwiefern man finanziell unterstützt wird, ist abhängig von Bund, Kantonen und einzelnen Institutionen, die sich punktuell einsetzen.

Im Kanton Baselland ist das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung eine der Institutionen, die für nachhaltige Landwirtschaft einstehen. Zum Beispiel mit dem Projekt «Klimaschutz durch Humusaufbau».

Als Jungbäuer*in hat man deshalb meist noch keine grosse Wahl wie man den (übernommenen) Betrieb führen soll. Da ist es wichtig, die Rechnungen zahlen zu können. Die Umstellung, das Umdenken und allen damit verbundenen Aufwand, muss man sich zuerst auch leisten können und wollen, sagt Toni.

Die Zeit für die Experimente muss man sich nehmen, wenn man sich an Permakultur und Autarkie heranwagt – besonders wenn man einen spezialisierten Betrieb führt, wird das schwierig. Wie Toni Gass zeigt, lohnt sich das Umdenken und die Experimentiererei. Wenn man mit ihm spricht, merkt man ihm die Leidenschaft für seine Arbeit richtig an - und vielleicht werden durch ihn bald weitere Projekte angestossen, die gut fürs Klima und die Umwelt sind. Abgeschlossen ist der ganze Prozess hin zur Permakultur wohl nie. «ich weiss, dass ich nichts weiss», ist Toni Gass’ Fazit.

Tonis Produkte gibt es im Hofladen auf dem Wolfloch und beim Marktschwärmer. Beim Fleisch gilt: es het solangs het, denn diese Art der Tierhaltung bedeutet auch, dass nur entsprechend dem Bestand geschlachtet wird.

 

Rezept: Lammragout mit Nussgranola und Kartoffeln

von Arvid Weck, für 4 Personen

Lammragout

  • 400g Lammschulter
  • 2 Zwiebeln
  • 1 Knoblauchzehe
  • 2 Karotten
  • 100g Sellerie
  • 70g Lauch
  • 2 Sternanis
  • 2 Lorbeerblätter
  • 3 Nelken
  • 10 Pfefferkörner
  • 10 Wachholderbeeren
  • Erdnussöl
  • 50g Tomatenmark
  • 2dl Rotwein
  • 100g Demi-Glace
  • Wasser
  • Salz und Pfeffer

Die Lammschulter in kleine Stücke schneiden. Die Zwiebeln und den Knoblauch hacken. Karotten, Sellerie und Lauch in kleine Würfel schneiden.

In einem Schmortopf das Erdnussöl gut erhitzen. Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen und scharf anbraten. Das Fleisch herausnehmen und alles Gemüse sowie die Gewürze leicht anbraten. Das Tomatenmark sowie das Fleisch wieder beigeben und 2-3 min mitdünsten. Dann mit dem Rotwein ablöschen und etwas reduzieren.

Das Fleisch mit Wasser bedecken und die Demi-Glace dazugeben. Bei kleiner Flamme oder im Ofen bei 180°C mit Deckel ca. 1,5 h schmoren bis das Fleisch schön zart ist. Vor dem Servieren nochmals abschmecken.

Tipp: Falls die Bratensauce nicht genug dick ist, einfach mit Maizena oder Kartoffelstärke abbinden.

Nussgranola

  • 20g Butter
  • 30g Haselnüsse
  • 30g Mandeln
  • 30g Erdnüsse
  • 30g Baumnüsse
  • 30g Kürbiskerne
  • 1 EL Honig
  • 1 Prise Zucker

Alle Zutaten in eine Bratpfanne geben und leicht anrösten. Dann auf ein Backpapier geben und auskühlen lassen. Nach Belieben in die gewünschte Grösse hacken.

Beilage

  • 200g Kartoffeln (mehlig kochende z.B. Agria)
  • 200g Pastinaken
  • 2 Knoblauchzehen
  • 1dl Olivenöl
  • Rosmarin und Thymian
  • Salz und Pfeffer

Die Pastinaken und Kartoffeln in kleine Würfel schneiden, den Knoblauch mit der Schale zerdrücken und mit dem Rosmarin, Thymian und dem Olivenöl, sowie den Kartoffel- und den Pastinaken-Würfeln mischen. Gut würzen und bei 180°C ca. 30 min in den vorgewärmten Ofen in die obere Hälfte des Backofens geben.

Sonstiges

  • Trauben halbiert
  • Sauerrahm
  • Frisches Grünes wie Wildsalat oder Micro Greens zum Garnieren

Kann alles zum Schluss beim Anrichten übers Gericht verteilt werden.